Thessaloniki - Mein Auslandssemester in Griechenland
von Clemens Müller
Seit wenigen Wochen bin ich zurück in Mainz. Wenn ich an mein Auslandssemester zurückdenke, habe ich direkt ein breites Grinsen im Gesicht! Ich habe ein ganzes Land gesehen, gutes Essen gegessen, unvergessliche Partys gefeiert und mittlerweile Menschen in ganz Europa die ich als sehr gute Freunde bezeichnen darf. Aber fangen wir mal ganz von vorne an:
Wie plant man ein halbes Jahr im Ausland ?
Das geht tatsächlich einfacher als man denkt. Klar, am Anfang scheint der Papierkram unübersichtlich und erdrückend. Aber ich verspreche euch es wird sich allemal gelohnt haben! Immerhin bekommt man für ein paar ausgefüllte Dokumente ein halbes Jahr lang Geld für eine Erfahrung, die ihr euer Lebtag nicht vergessen werdet. Klingt nach einem guten Deal würde ich sagen. Also durchhalten und dranbleiben! Gerade das Wort „Learning Agreement“ löst bei mir bis heute Angstzustände aus. In dieses Dokument werdet ihr eure Kurse eintragen, die ihr in eurem Zielland belegen wollt. Im besten Fall haben die mit euren Kursen in Deutschland zu tun damit ihr sie hier anerkannt bekommt. Das Suchen nach Kursen, abgleichen mit anderen Kursen, herausfinden ob die von Erasmus Studierenden belegt werden können etc. führt da schnell zur Frustration. Aber keine Sorge niemand erwartet von euch, dass ihr vor eurem Aufenthalt schon genau wisst was ihr belegen werdet. Weil spätestens wenn ihr in der Vorlesung sitzt und der Professor dann doch nur griechisch und kein Englisch kann, muss das Learning Agreement sowieso wieder geändert werden. Mein Tipp wäre: Schreibt jeden Kurs ins Learning Agreement der für euch Sinn ergibt. Herausstreichen kann man die am Ende immer noch. Aber wenn das von beiden Fakultäten einmal abgesegnet wurde, erspart ihr euch einiges an Stress. Es ist vermutlich leicht zu sagen, dass es wegen Job, Beziehung oder andere Umstände nicht die optimale Zeit ist zu gehen. Das war es bei mir definitiv auch nicht. Aber was ich jetzt im Nachhinein gemerkt habe: Diese Erfahrung ist nur für euch selbst. Es geht dabei nicht um optimales Timing sondern einfach nur darum euch weiterzuentwickeln und mal die Komfortzone zu verlassen. Also habt nur Mut und lasst ein paar eurer Verpflichtungen hinter euch. Um eine Wohnung habe ich vor Ort gekümmert, aber dazu später mehr. Nachdem ich dann mein WG-Zimmer in Mainz untervermietet hatte, war eigentlich auch schon alles geregelt. Nur dann kam noch eine Idee dazwischen…
Meine Griechenlandreise
Als ich einem guten Freund von meinem Plan erzählte, nach Griechenland zu gehen war er ganz begeistert. „Ein wunderschönes und geschichtsträchtiges Land, was man auf jeden Fall gesehen haben muss“. Also fassten wir den Entschluss, dass wir uns das gemeinsam mal anschauen sollten. Einen Monat sollte die Reise gehen. Mit einem Mietwagen und einem Zelt einmal durch Griechenland. Anfang Oktober wollten wir in Thessaloniki sein, weil da der „Welcome month“ losgehen sollte. Auf einer Handynotiz hatten wir festgehalten was wir sehen wollten: Athen, den Kanal von Korinth, die antike Stadt Mykene, das Orakel von Delphi, die Meteoraklöster und ich wollte unbedingt einen befreundeten Künstler meiner Eltern besuchen, der in einem zurückgezogenen Bergdorf auf der Peleponnes lebt. Somit war die Route auch schon geplant. Wir landeten in Athen und fuhren den Süden Griechenlands einmal ab und machten uns langsam Richtung Norden auf. Wenn ich diese Reise auch nur im Ansatz beschreiben müsste, bräuchte ich vermutlich 30 Seiten. Aber lasst euch eins gesagt sein: Nehmt euch Zeit das Land und die Leute kennen zu lernen. Die Griechen haben mehr zu bieten als nur Feta. Aber selbst für den hätte es sich schon gelohnt. Außerdem schmusen die Katzen im Süden viel lieber mit Touristen als im Norden! Ich empfehle so eine Reise in jedem Fall! Als wir in Thessaloniki ankamen waren wir schon absolut im griechischen Lifestyle angekommen und hatten alles gesehen, was wir sehen wollten. Dadurch konnte ich mein restliches Semester auch ganz entspannt gestalten und mich auf Thessaloniki fokussieren.
Der Stadtteil, der sich Universität nennt
Natürlich kommt man primär als Student in das neue Land. Allerdings fiel das bei mir und auch vielen anderen Erasmus Studierenden eher mager aus. Die meisten Kurse waren auf Griechisch und so machte es keinen Sinn die Vorlesung zu besuchen. Wenn man den Professoren allerdings ein bisschen hinterherrennt und die ein oder andere Mail schreibt, dann bekommt man Material, mit dem man Aufgaben bearbeiten soll. Ebenso kam es häufiger vor, dass die Professoren lediglich einen Essay verlangten. Die Notengebung kann unterschiedlich ausfallen. Meistens sind die Professoren sehr gönnerhaft wenn es um Erasmus Studierende geht. Allerdings kann man natürlich auch Pech haben. Deswegen empfehle ich gerade am Anfang bei vielen Kursen den Workload und die Prüfungsform abzuchecken. Es ist nämlich sehr unterschiedlich von Kurs zu Kurs wie viel gemacht werden muss. Der Campus der Aristoteles Universität ist riesig. Gerade am Anfang fällt es schwer sich zurecht zu finden. Da jedes Schild auf Griechisch ist muss man meistens irgendwen um Hilfe fragen. Aber da kommt einem die griechische Hilfsbereitschaft auf jeden Fall zugute. Was am Anfang sehr befremdlich wirkt, ist das Militär welches an vielen Eingängen postiert ist. Die Militärs trinken aber in der Regel nur Kaffee und stehen in voller Montur im Schatten. Weder Polizei noch Militär darf das Unigelände tatsächlich betreten. Dies wurde laut Gesetz beschlossen. Um das Unigelände nicht zum gesetzlosen Ort verkommen zu lassen, zeigt das Militär außerhalb der Zäune Präsenz. Viele der Studierende vertreten eine starke politische Meinung und verschaffen sich zum Teil durch anarchistisches Handeln Gehör. So kommt es oft zu heftigen Protesten und Demonstrationen. Aber keine Sorge, wenn man ein paar Dinge beachtet, dann ist das alles absolut ungefährlich. Demonstrationen sollte man aus dem Weg gehen, weil man nur schwer erkennen kann ob das ein friedlicher Protest ist oder vielleicht doch gleich Tränengas fliegt. Ebenso empfiehlt es sich nicht nachts alleine auf dem Campus unterwegs zu sein, da hier ja keine Polizei unterwegs ist. Ja, Studieren ist definitiv anders als in Deutschland. Aber nicht zwingend schlechter. Gerade die starke politische Meinung der jungen Menschen zeigt einem recht deutlich, dass man auch in einem relativ weit entwickelten Land noch häufig für seine Rechte und Meinungen kämpfen muss. Über die Umsetzung lässt sich aber in jedem Fall streiten.
Wie und Wo wohne ich am Besten ?
Ich habe in der Nähe des römischen Forums gewohnt. Das stellte sich als optimale Lage heraus. Der markierte Bereich auf der Karte ist wohl am besten was Wohnlage angeht. Hier spielt sich das Studentenleben ab. Hier seid ihr nie auf Busse angewiesen und Uni, Bars, Clubs und vermutlich auch die meisten anderen Erasmus Studierenden sind zu Fuß gut zu erreichen. Ein weiterer Tipp: Ich würde nicht empfehlen viel weiter weg vom Meer als die Kassandrou Street zu wohnen. Auf der Karte wird nur schwer deutlich, dass je weiter man sich vom Meer entfernt es stark bergauf geht. Wer in der Upper City wohnt hat auf jeden Fall jede Nacht ein anstrengendes Workout vor sich bevor man ins Bett kann. Eine Wohnung findet man wohl am Besten vorab über Facebook oder man telefoniert die Real Estate Agencies ab. Auf Facebook gibt es Gruppen wo Accommodations reingestellt werden und auch andere Erasmus Studierende nach Mitbewohnern suchen. Ich persönlich habe erst vor Ort die Agencies abgeklappert. Das funktioniert zwar auch allerdings war die Woche der Wohnungssuche sehr stressig. Deswegen würde ich empfehlen sich im Vorab darum zu kümmern. Im Endeffekt hatten wir eine große Wohnung zu fünft mit zwei Bädern und einem riesigen Wohnzimmer für 360€ jeweils. Wohnt am besten mit anderen Erasmus Studierenden aus anderen Ländern zusammen! Schon allein durch das Zusammenwohnen habe ich persönlich wichtige interkulturelle Erfahrungen gemacht und nun zwei sehr gute Freunde in Frankreich!
Was mache ich den ganzen Tag lang ?
Χαλαρά (Chalara) beschreibt das lockere Lebensgefühl der Griechen. Eine genaue Übersetzung gibt es zwar nicht, aber nach ein paar Tagen kommt man schon auf den Trichter was das bedeutet. Kaffee trinken, Meerpromenade entlanglaufen, Sonnenuntergang in der Upper City anschauen, in die Taverna gehen, Backgammon oder Billard spielen, auf den Markt gehen, Club, Bars, Fahrräder ausleihen, nach Chalkidiki fahren oder auch den Olymp besteigen. Das und noch vieles mehr stand so auf der Tagesordnung in Griechenland. Egal ob einen entspannten Tag in der Stadt oder einen Ausflug ins Umland. Langweilig wurde einem auf jeden Fall nie. Ich erinnere mich an keinen Tag an dem ich nichts erlebt habe. Fremde Menschen werden dort zu Freunden und irgendwann zu einer Art Erasmus Familie mit der du die meiste deiner Zeit verbringen wirst. Gemeinsam fahrt ihr vielleicht nach Istanbul für ein paar Tage, trefft euch jeden morgen für einen griechischen Kaffee, lasst euch von Italienern zeigen wie man richtige Bolognese macht oder feiert mit 400 Studenten eine Bootsparty auf Corfu. Aber eines ist sicher: Es wird einen riesen Spaß machen! Und das ist vermutlich die Quintessenz von Erasmus: „Das war ein riesen Spaß!“ Diese Zeit, diese Stadt und diese Menschen habe ich für ewig in mein Herz geschlossen.