Südafrika – arm und reich, schwarz und weiß, grenzenlos und eingezäunt. Das Land könnte, so sind sich die Exkursionsteilnehmenden des Master of Science in Business Administration einig, kontrastreicher nicht sein. Eine große politische Veränderung, die Wahl des neuen Präsidenten, könnte zumindest einem dieser Kontraste entgegenwirken. Nach Volksheld Nelson Mandela ist Cyril Ramaphosa nun der neue Hoffnungsträger, gerade für die Wirtschaft. Der ANC-Spitzenpolitiker soll den infolge eines aufgedeckten Korruptionsskandals scheidenden Präsidenten, Jacob Zuma, als Staatsoberhaupt aus der Krise führen und die Schere zwischen Armut und Reichtum schmälern. Im industriellen Epizentrum Johannesburg, nördlich und unweit vom Regierungssitz Pretoria gelegen, lernt unsere Semestergruppe also schnell: Gute Hoffnung hat man nicht bloß unten am Kap.
Politik im goldenen Käfig
Das Johannesburger Umland richtet den Blick bereits seit Jahrzehnten auf einen „nachhaltigen und für die Arbeiter sicheren Abbau“ des Rohstoffes Gold. Während das Investment in Gold Fields, den drittgrößten Goldproduzenten Südafrikas, laut Referent seit 2008 um knapp 57 Prozent gesunken sei, schöpft die Goldbranche mit Ramaphosa als einstigem Gründer und Generalsekretär der Gewerkschaft National Union of Mineworkers wiederum Hoffnung.
Von zwei kopfnickenden Praktikanten unterstützt, freute sich auch die Pressevertreterin der deutschen Botschaft ganz zu Beginn unserer Reise ungemein über die Aufbruchstimmung, die der politische Machtwechsel mit sich bringe und lobte Land und Leute über alle Maßen. Dass jedoch eine entschädigungslose Landenteignung von nicht bestelltem Farmland unmittelbar bevorstand, kam erst später am Tag, bei unserem Besuch in der deutschen Außenhandelskammer, zur Sprache.
Es wurde damit schnell deutlich, wie in Südafrika Politik und damit Geld gemacht wird. Und wer Letzteres hat, der kann es nutzen – beispielsweise für einen meterhohen Elektrozaun gegen ungebetene Gäste. Ein realistischer Blick auf Kriminalitätsrate und gesellschaftliche Verhältnisse offenbart endgültig, dass hier möglicherweise also doch nicht alles Gold ist, was glänzt; es sei denn, man sitzt, wie viele Expats, im goldenen Käfig.
Vertreter der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Rödl & Partner stellten final klar: Korruption war, ist und wird ein Thema in Südafrika bleiben, ganz gleich, wie strikt die Compliance-Vorschriften von Firmenniederlassungen auch sein mögen. Da dürfte auch ein neuer politischer Anführer wenig ausrichten können, zumal es sich bei Ramaphosa selbst um einen milliardenschweren Unternehmer handele. Man solle mit der großen Hoffnung auf bahnbrechende Veränderungen also besser vorsichtig sein.
Wirtschaftlich das Afrika für Anfänger
Während im Inland nun auf den mehr oder minder großen wirtschaftlichen Aufschwung gehofft wird, scheint man auch im Ausland eine Chance im sonnigen Südafrika zu wittern. Als finanziell, politisch und wirtschaftlich stabilstes afrikanisches Land mit ausreichendem Rechtsschutz stellt Südafrika den perfekten, da relativ sanften, Einstieg für ausländische Unternehmer und Investoren in afrikanische Märkte dar. Die Automobilindustrie etwa investiert mit Freuden, sodass man bei einer Busreise durch den Industriepark altbekannten Logos von BMW oder VW begegnet, da hier unlängst Produktionsstätten für im Linksverkehr notwendige Einzelteile und deren Weiterverarbeitung errichtet wurden. Die Automobilindustrie boomt und findet in Südafrika viele wohlhabende Abnehmer. Diese schätzen die gut ausgebauten Straßen und logistischen Vorteile.
So auch zwei Global Player deutschen Ursprungs, von deren Stärken die Masterstudierenden sich persönlich überzeugen durften: Zum einen Dachser Logistics, gegründet 1930 von Thomas Dachser, und zum anderen seinen wohl stärksten Konkurrenten DB Schenker, den die vorangegangene MScBA-Exkursionsgruppe bereits am Standort Taiwan besuchen durfte. Auch in Johannesburg konnten die Ansprechpartner durch großzügige Gastfreundschaft sowie Einblicke in ihre heiligen (Lager)-Hallen Eindruck schinden. Hier werden die Waren verladen, ehe es auf Paletten gestapelt weiter übers Meer zum Endkunden geht. Bei den meisten Geschäften, die in Johannesburg abgewickelt werden, handelt es sich um Business-To-Business-Verträge von jahrelangem Bestand. Mit viel Stolz in der Stimme berichteten die Manager, überwiegend männlich, überwiegend weiß, von ihren anhaltenden Erfolgen.
Mit Quote zu mehr Gleichberechtigung
Trotz der überwiegend Weißen im höheren Dienst habe sich bereits eine gewisse Veränderung abgezeichnet, wie auch Frank Aletter von der Deutschen Außenhandelskammer in Johannesburg bestätigte. Seit einigen Jahren ist eine Neuerung insbesondere für die schwarze Bevölkerung in der Unternehmenslandschaft von großer Bedeutung –„BBBEE“. Hinter dem sperrigen Akronym verbirgt sich das, was sich mit der Deutschland umstrittenen Frauenquote vergleichen lässt. In Südafrika dagegen ist „Broad-Based Black Economic Empowerment“ (zu Deutsch: eine breit aufgestellte ökonomische Ermächtigung von aus Südafrika stammenden Schwarzen) ein echter Hoffnungsschimmer in Sachen Gleichberechtigung.
Durch seine Einführung hofft der Staat, einer trotz ihrer Abschaffung in den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts weiterhin offensichtlichen Apartheid begegnen zu können, wenn das Gesetz auch der eklatanten Arbeitslosigkeit von 26 Prozent nicht entgegenwirken kann. Einen ökonomischen Anreiz für die Umsetzung von BBBEE bietet ein Punktesystem, das jene Wirtschaftsunternehmen, die mit der Regierung zusammenarbeiten, besserstellt, wenn ihre Chefetage schwarze Frauen und körperlich Beeinträchtigte einstellt.
Mit „Level Eins“ genießt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG eine erstklassige Bewertung. Am runden Tisch stellt sich eine noch recht junge, aufgeweckte, herzliche schwarze Frau als Associate Director mit Aussicht auf einen Partner-Titel vor. Die Lebensgeschichte von Brenda Jajula steht stellvertretend für das Schicksal vieler Südafrikanerinnen und Südafrikaner: Aufgewachsen ohne fließendes Wasser, ohne Strom, ohne Perspektive. Was sie jedoch von den meisten anderen unterschied, waren der akademische Hintergrund ihrer Eltern und entsprechend ihr Zugang zu Bildungsstätten. Wie sie erzählt, hatte sie außerdem „unterstützende Schutzengel und Mentoren“, die sie auf ihrem Weg in das durch jenen Korruptionsskandal um Zuma und die indische Familie Gupta ebenfalls in die Schlagzeilen geratene „Big Four“-Unternehmen ganz nach oben führte.
Neben den zahlreichen Unternehmen, die die Hochschule Mainz so warm empfangen haben, besuchten die Masterstudierenden aber auch historische und kulturelle Meilensteine der Umgebung. So etwa das 1984 eingeweihte South African Police Memorial auf dem Regierungsgelände in Pretoria, den Constitution Hill, das Apartheidmuseum in der Provinz Gauteng und das über Südafrikas Grenzen hinaus bekannte Voortrekkerdenkmal, errichtet zu Ehren all derer, welche die Kapregion zwischen 1835 und 1854 verließen, um weitere Teile Südafrikas zu bevölkern.
Eine gute Entscheidung, wie viele der Studierenden durch vorangegangene Reisen bestätigen können. Denn Südafrika besticht in vielerlei Hinsicht durch seine Vielseitigkeit und hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Trotz der problematischen Politik und der immer noch zahllosen Kontraste ist und bleibt Südafrika: Das Land der guten Hoffnung.