Erneut haben sich Architekturstudierende der Hochschule Mainz und ihrer Partnerhochschule Bezalel Academy of Arts and Design, Jerusalem, in einem zweiteiligen Workshop mit ihrem gemeinsamen architektonischen Erbe auseinandergesetzt. Dieses hat einen wichtigen Ausgangspunkt in der Architekturausbildung des Staatlichen Bauhauses in Dessau. So studierte etwa Arieh Sharon, einer der bedeutendsten Architekten Israels, unter dem zweiten Direktor des Bauhauses, Hannes Meyer. Sharon stammte aus Jaroslau, dem heutigen Jaroslawl in Polen, war von 1926-1929 Student am Bauhaus und arbeitete bis zur seiner Rückkehr ins damalige Britische Mandatsgebiet Palästina 1931 im Büro Meyers. In Tel Aviv errichtete er 1934 die genossenschaftliche Wohnanlage Me´onot Hod.
Am ersten Teil des Workshops, der Mitte März als Open Studio der Stiftung Bauhaus Dessau durchgeführt werden konnte, nahmen auch Studierende der TU Warschau und der TU Lodz teil. Gemeinsam mit den Mainzer und Jerusalemer Teilnehmenden studierten sie im ersten Teil des Workshops die Architektur des Bauhauses. Das seinerzeit sehr innovative und bis heute ikonische Werkstattgebäude mit seiner Glasfassade wurde mit Drohnen, terrestrischen Scannern und Handscannern aufgenommen, so dass ein 3D-Modell erstellt werden konnte. Darüber hinaus wurden Originalfenster des Bauforschungsarchivs des Bauhauses in Handzeichnungen erfasst. Im Entwurfsteil beschäftigten sich die Studierenden mit dem Werkstattgebäude, dessen ehemalige Metallwerkstatt der Gruppe als Arbeitsraum diente. Als Grundlage der späteren Auseinandersetzung mit Me´onot Hod studierten sie darüber hinaus die so genannten Laubenganghäuser Hannes Meyers, an deren Errichtung 1929-1930 Sharon beteiligt war.
Gruppenbild Tel Aviv
Der zweite Teil des Workshops fand Mitte Mai in Tel Aviv statt, und zwar im Max Liebling Haus, dem Denkmalschutzzentrum der Weißen Stadt Tel Aviv. Das seit 2003 als Welterbe der UNESCO geschützte Zentrum der Stadt ist geprägt durch circa 4.000 Gebäude der Moderne. Fälschlicherweise werden diese häufig als Bauhausarchitektur bezeichnet.
Auf der Grundlage der Studien in Dessau wurde als Schwerpunkt des Workshops die tatsächlich von einem Bauhäusler entworfene genossenschaftliche Wohnanlage Me´onot Hod erforscht – anhand der Originalpläne im Arieh Sharon Archiv und Besichtigungen vor Ort. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den Dessauer Bauten wurden herausgearbeitet. In Tel Aviv setzten sich die Studierenden in Kurzentwürfen mit der Wohnanlage Me´onot Hod auseinander und machten Vorschläge für deren Weiterentwicklung. Mehrere Rundgänge durch die Weiße Stadt erschlossen das städtebauliche Konzept der Stadt und dienten der genaueren Kenntnis der unterschiedlichen architektonischen Ansätze und Lösungen. Der Besuch der ehemaligen Hauptstadt Palästinas, Jaffa, die in ihren Stadterweiterungen der 1920er und 1930er Jahre gleichfalls durch moderne Wohngebäude geprägt ist, weitete den Blick auf dessen architektonisches Erbe.
Me'onot Hod nach 90 Jahren – schöner Innengarten, Anpassung von Gebäuden an Wärme, Klimawandel und Energieknappheit, Foto Regina Stephan
Gefördert wurde der Workshop durch das Bundeministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB), vertreten durch das Amt für Bundesbau, Mainz, Geschäftsstelle Weiße Stadt Tel Aviv. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung Bauhaus Dessau, des Max Liebling-Hauses in Tel Aviv, der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem und des Conservation Department der Stadt Tel Aviv waren Projektpartner der Hochschule Mainz und haben durch ihr Engagement das Projekt erst möglich gemacht.