Zum achten Mal ist am 11. Juli der Preis des Hochschulrats der Hochschule Mainz verliehen worden, mit dem herausragende Studienleistungen ausgezeichnet werden. Der mit 2000 Euro dotierte Preis ging in diesem Jahr an Alexander Bothe und Stefan Valerio Meister für ihre gemeinsam entwickelte Master-Arbeit „devio – Demenzworkshop-Kit“. Die im Masterstudiengang Gutenberg Intermedia im Fachbereich Gestaltung entstandene Arbeit wurde betreut von Prof. Dr. Petra Eisele, Prof. Katja Davar und Prof. Anna-Lisa Schönecker.
In ihrer fachlich hervorragenden wissenschaftlich-gestalterischen Abschluss-Arbeit haben die beiden Absolventen ein gesellschaftspolitisch höchst relevantes soziales Thema aufgegriffen und dazu eine zukunftsweisende Innovation erarbeitet. Im Hinblick auf den demografischen Wandel steigt, prozentual gesehen, das Risiko, an einer Form von Demenz zu erkranken, enorm. Experten gehen davon aus, dass bis 2050 rund 3 Millionen Menschen in Deutschland von Demenz betroffen sein werden. Da bislang weder ein Heil- noch ein Präventionsmittel für die Krankheit existiert, erweist sich besonders die adäquate Pflege von Demenzerkrankten als ein wichtiger Punkt, um die Lebensqualität von Betroffenen zu sichern und zu verbessern.
Ausgehend von der prognostizierten demografischen Entwicklung, aber auch hoch motiviert durch ihre eigenen beruflichen Erfahrungen im Zivildienst im Alten- und Pflegeheim (Alexander Bothe) bzw. als Alten- und Schwerstbehindertenbetreuer (Stefan Valerio Meister), stellten sich die beiden Kommunikationsdesigner im Wesentlichen drei Fragen:
Wie erleben von Demenz Betroffene ihre Umwelt? Wie kann dieses Erleben kommuniziert werden für diejenigen, die mit von Demenz Betroffenen umgehen, z.B. Angehörige und professionell Pflegende? Wie kann eine Auseinandersetzung bzw. Reflexion darüber stattfinden, so dass – z.B. in der Ausbildung von Pflegeschülerinnen und -schülern – eine Sensibilisierung und ein Empathietraining stattfinden können?
In ihrer umfangreichen 243-seitigen theoretischen Master-Arbeit „devio – Konzeption und Gestaltung eines Demenz-Empathie-Workshops“ bearbeiteten die beiden Absolventen detailliert die Krankheitsbilder der Demenz, die Entwicklung und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Demenz in Deutschland, Demenz und Design mit der Recherche von Projektbeispielen. Zudem wurden die Pflegesituation, die Altenpflegeausbildung und die hier vorhandenen Demenzmodelle analysiert, um dann pädagogische Details des Empathietrainings vorzustellen.
Auf der Basis einer umfangreichen Recherche zum tatsächlich demenziellen Erleben entwickelten Alexander Bothe und Stefan Valerio Meister ein Demenzworkshop-Kit, das zum einen auf einer Augmented-Reality-Brille aufbaut, welche die Wahrnehmung des Trägers live demenziell verändert, z. B. durch Störgeräusche, Sprachverzerrungen, Sichtfeldeinschränkung, Gesichtsverfremdungen und Bildüberlagerungen. Zum anderen wurden szenische Rollenspiele erarbeitet, die in Kombination mit der Augmented-Reality-Brille Szenen enthalten, die von Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorbereitet und gespielt werden.
Ziel dieses mobilen Empathietrainings ist es, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eines Workshops (z.B. Pflegeschülerinnen und -schülern) zu ermöglichen, sich in die Erlebnis- und Gefühlswelt von Menschen mit Demenz hineinzuversetzen, um durch das Empathietraining der betreuenden Personen die Lebensqualität der von Demenz Betroffenen zu verbessern. Das Kit soll in der Aus- und Weiterbildung von Pflegepersonal eingesetzt werden sowie bei der Unterstützung von Angehörigen.
Über ihre herausragende fachliche Leistung hinaus haben Alexander Bothe und Stefan Valerio Meister immer wieder auch großes soziales Engagement bewiesen. Alexander Bothe hat seinen Zivildienst in einem Alten- und Pflegeheim in Hannover abgeleistet, in dem er nach seiner Pflichtzeit weitere sechs Monate arbeitete. Aufgrund dieser Erfahrungen war sein Studium durch soziale bzw. gesellschaftspolitische Themen und Fragestellungen geprägt, etwa Kampagnen und Konzepte für die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ und ein Re-Branding für den Verein „Bündnis gegen Depression“.
Stefan Valerio Meister war im Zivildienst als Alten- und Schwerstbehindertenbetreuer beim Caritasverband Düssseldorf e.V. tätig. Im Studium galt sein Interesse der Frage, wie man außerhalb der gewöhnlichen Designbereiche Probleme lösen und die Zukunft verändern kann, weshalb er in seiner Master-Arbeit ein sozial-gesellschaftlich relevantes Thema aufgreifen wollte. Beide Preisträger sind nach Studienabschluss der Organisation „youvo“ beigetreten, die Designer an soziale und gesellschaftliche Projekte vermittelt, für welche sie dann auf freiwilliger und unentgeltlicher Basis arbeiten.
Den Preis hatte der Hochschulrat 2009 gestiftet. Der Vorsitzende des Gremiums, Richard Patzke, betonte bei der Verleihung: „Der Preis ist eine besondere Auszeichnung für die Studierenden und Absolventen. Denn ihre Hochschule honoriert damit nicht nur herausragende Studienleistungen, sondern auch das allgemeine soziale oder hochschulpolitische Engagement der Preisträger. Darüber hinaus zeigt die Hochschule Mainz gegenüber den Wirtschaftsunternehmen an diesem Standort, der Politik, den Verwaltungen, Behörden und alle anderen Institutionen und Gruppierungen von gesellschaftlichem Einfluss, dass sie ein Leistungsträger des Fortschritts in der Region und für die Region ist.“