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Tandem 3

Präferenzbildung und Kundenbindung durch Storytelling in digitalen Umgebungen

Univ.-Prof. Dr. Oliver Emrich + Prof. Dr. Sven Pagel Susan Glaser + Elena Höfer Die Internetnutzung nimmt beständig zu und Individuen verbringen immer mehr Zeit in digitalen Umgebungen. Laut einer repräsentativen ARD/ZDF-Onlinestudie nutzten im Jahr 2018 rund 77 Prozent aller Deutschen das Internet täglich. Zum Vergleich: nur drei Jahre zuvor waren es lediglich 63 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung (Frees & Koch, 2019). Auch weltweit steigt die Internetnutzung von rund 18 Prozent in 2006 auf ca. 49 Prozent im Jahr 2016 (International Telecommunication Union, 2018). Digitale Umgebungen vernetzen Menschen miteinander und begleiten oder ersetzen auch zunehmend den Kontakt zwischen Individuen und Unternehmen. Der physische Handel verliert kontinuierlich Marktanteile an den Online-Handel. So wuchs der Online-Anteil im gesamtdeutschen Einzelhandel von 2,4 Prozent im Jahr 2007 auf 9,5 Prozent in 2017 (Handelsverband Deutschland, 2018). Der europäische E-Commerce-Umsatz stieg von 307 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf 534 Milliarden Euro im Jahr 2017 (Ecommerce Europe, 2018). In vielen Warengruppen bewerten Konsumenten Angebote in digitalen Kanälen als passender für ihre bestehenden Präferenzen (z.B. aufgrund von Zeitersparnissen, Preisvorteilen und Angebotsvielfalt; Verhoef, Neslin & Vroomen, 2007). Unternehmen mit bestehenden physischen Ladengeschäften können dies auch zu einem Wettbewerbsvorteil für sich nutzen, indem sie ihre Distributionskanäle hinsichtlich von Services (Herhausen, Binder, Schoegel & Herrmann, 2015), Sortimentsauswahl (Emrich, Paul & Rudolph, 2015), oder Design (Emrich & Verhoef, 2015) stärker integrieren. Die Bedeutung von sozialen Plattformen wie Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat oder auch Sharing-Plattformen nimmt auch hinsichtlich der Nutzung von Konsumenten ständig zu. Jedoch haben viele Unternehmen Probleme damit, Konzepte zu finden, die eine Umwandlung der Interaktion mit Konsumenten in wertsteigernde Nutzenversprechen ermöglichen. So ergab eine großangelegte experimentelle Studie mit Unternehmen auf sozialen Netzwerken, dass die Teilnahme von Konsumenten an Markencommunities nicht zu einer Steigerung von Umsatz, Markenimage oder der Weiterempfehlungsabsicht führt, sondern dass insgesamt sogar ein schwacher negativer Zusammenhang zum ökonomischen Wert besteht (John, Emrich, Norton & Gupta, 2017). Daher stellt sich die Frage, wie Unternehmen effektiver ihre Distributionskanäle durch digitale Elemente erweitern können, um einen nachhaltigen Kundenwert zu schaffen. Bislang untersuchen nur wenige Forschungsarbeiten systematisch mit experimentellen Methoden, wie sich das Design von digitalen Umgebungen auf das Kundenverhalten kausal auswirkt (z.B. Lynch & Ariely, 2000). Die vorliegenden Arbeiten konzentrieren sich dabei auf die Akzeptanz, Bewertung und die Nutzung von digitalen Angeboten basierend auf den bestehenden Präferenzen von Konsumenten (Lamberton & Stephen, 2016). Jedoch ist es denkbar, dass Erfahrungen in digitalen Umgebungen auch die Präferenzen selbst beeinflussen, sich also Motivationen, Ziele und Orientierungen von Konsumenten durch die digitale Mediennutzung verschieben. Der Einfluss der Umgebung auf die Präferenzbildung findet in sozialer Hinsicht statt – z.B. erhöht sich die Impulsivität des Kaufverhaltens, wenn Konsumenten zusammen mit anderen einkaufen (Luo, 2005). Auch die zeitliche Präferenz für Konsum in der Gegenwart oder in der Zukunft wird erheblich durch Stimuli in der wahrgenommenen Umgebung eines Konsumenten beeinflusst (Hershfield et al., 2011). Schließlich können digitale Umgebungen auch die Gewichtung von Attributen, wie Preis oder Qualitätskriterien bei der Präferenzbildung verändern, wie beispielhaft in Experimenten mit Website-Hintergrundbildern gezeigt wurde (Mandel & Johnson, 2002). Es liegen jedoch bislang keine Erkenntnisse vor, wie narrative Elemente und Strukturen in digitalen Umgebungen die Präferenzbildung von Konsumenten beeinflussen. Aus dieser Motivation heraus soll die folgende Forschungsfrage untersucht werden: Wie beeinflusst die Erfahrung von narrativen Elementen (z.B. Text, Audio, Video, Infografiken) und Erzählstrukturen (z.B. Storytelling, Gameplay) in der digitalen Medienumgebung die Präferenzbildung sowie das langfristige Verhalten von Konsumenten? Technologische Möglichkeiten in digitalen Umgebungen entwickeln sich rasant und daher nutzen Unternehmen über das Design einzelner gestalterischer Elemente auf Webseiten (verbale und visuelle Elemente) (Bleier, Harmeling & Palmatier, 2019) zunehmend auch dynamische Darstellungen (Multimedia-Animationen, Videos, interaktive Grafiken wie Karten u.a.). Diese dynamischen Darstellungen haben ein hohes Potenzial, Bedürfnisse, Motivationen und Orientierungen zu beeinflussen, indem sie durch die narrative Gestaltung (d.h. Storytelling) Bedeutungsinhalte vermitteln, die als sinnstiftend wahrgenommen werden (Van Laer, De Ruyter, Visconti & Wetzels, 2013). Diese Einbindung digitaler narrativer Medienelemente hat eine hohe Bedeutung für die Markenwahrnehmung und könnte daher Unternehmen ermöglichen, Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Insgesamt stellt sich daher die Frage, wie die digitale Mediennutzung mit den bestehenden Distributionskanälen eines Unternehmens verknüpft werden sollte, um den Kundenwert nachhaltig zu steuern. Schließlich fehlen bislang systematische Studien dazu, wie sich fesselnde, erzählerische Medienumgebungen im Internet auf das langfristige Konsumentenverhalten und die Kundenbindung auswirken. Konsequenterweise ist der ersten, konsumentenorientieren Fragestellung eine zweite, unternehmensorientiere Forschungsfrage zur Seite gestellt: Wie können Unternehmen narrative Elemente und Erzählstrukturen in der digitalen Medien- Umgebung gestalten, um eine stärkere Kundenbindung im Online-Wettbewerb zu erzielen und wie muss die digitale Mediengestaltung mit bestehenden Distributionskanälen integriert werden, um den Kundenwert zu steigern? Die Arbeiten im Forschungskolleg sollen einen Beitrag zu Erkenntnissen der Motivationsforschung leisten, die zurzeit verstärkt den Einfluss der erlebten Umgebung auf die Zielsetzung von Individuen untersucht (Fiske & Taylor, 2017). Es fehlen Arbeiten, die insbesondere die Interaktion zwischen erlebter Realumgebung und digitalen Medien beleuchten und ihre Auswirkung auf die Bildung von Präferenzen untersuchen (Lamberton & Stephen, 2016). Diese Fragestellung ist für Unternehmen von entscheidender Bedeutung, um sich in verändernden Märkten gegenüber Global Playern zu behaupten, die mithilfe massiver Kundendaten ihre digitalen Umgebungen laufend optimieren.