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Onlineshops als starke Marken

Das Forschungsfeld Online Visual Merchandising

Onlineshops sind fester Bestandteil der heutigen Handelslandschaft. Und es erscheint unbestritten, dass Händler heute an starken Marken zu ihren Onlineshops arbeiten müssen, um langfristig im intensiven Wettbewerb zu bestehen. Man spricht hier von der Schaffung von Store Brands oder auch von Händlermarken. Bechtle, IKEA oder Zalando sind Beispiele für starke Store Brands. Sie sind starke Marken, da ihr Name bei den relevanten Zielgruppen sehr hohe Awareness besitzt – und weil mit ihrem Namen klare und einzigartige Gedächtnisbilder aus visuellen Eindrücken, Emotionen oder Fakten verbunden sind. Derartige Markenstärke zahlt sich für den Onlineshop aus. Sie sorgt i.d.R. für mehr sowie loyalere Kundinnen und Kunden, konstantere Cash-Flows und erlaubt es, höhere Verkaufspreise durchsetzen. Investitionen in Markenstärke rentieren sich.

Diese Perspektiven haben auch in der Lehre der Hochschule Mainz ihren festen Platz – mit Spezialisierungsfächern wir Handelsmarketing oder Brand Management. Im Rahmen seines Forschungsgebiets Point-of-Purchase-Kommunikation beschäftigt sich Prof. Jörn Redler auch wissenschaftlich mit dem Themenschwerpunkt Online Visual Merchandising.

 

Online Visual Merchandising als Rahmen

Der Weg zur starken Händlermarke führt über die Arbeit an der Markenbekanntheit und dem inneren Bild, welches bei den Zielgruppen aufgebaut wird. Dieses Bild soll möglichst klar, positiv konnotiert und einzigartig sein. Es ist das langfristige Ergebnis zahlreicher Eindrücke an den vielen Kontaktpunkten mit dem Onlineshop in diversen Kontexten. 

Viele dieser Eindrücke sind Folge von Entscheidungen, die der Händler trifft. Insbesondere beim Shop selbst. Mit Blick auf die markenwirksame Ausrichtung des Onlineshops ist die Beachtung jener Zielfelder interessant, die für das Online Visual Merchandising (OVM) diskutiert werden. Sie helfen, die durch die Vielzahl von Detailentscheidungen entstehende Komplexität zu reduzieren und fokussieren auf Felder, in denen Weichen für die Marke zu stellen sind. 

OVM bezieht sich im weitesten Sinne auf die Aktivitäten der verkaufsfördernden Inszenierung und Warenpräsentation im Online-Kontext. Spezifischer geht es um die Ausrichtung der warenbezogenen und der warenumhüllenden Darstellungen im Onlineshop auf angestrebte kognitive wie emotionale Reaktionen der potenziellen Käuferin oder des potenziellen Käufers, um eine Kaufentscheidung auszulösen oder zu unterstützen und um die Markenbildung zu fördern. Abb. 1 zeigt diese Felder im Überblick und verdeutlicht, dass die Erreichung der verbundenen Ziele einerseits direkt das Kaufverhalten beeinflusst. Andererseits wirkt sie sich auf die Marke aus. Awareness und klare, einzigartige Gedächtnisinhalte werden hoffentlich gefördert. Drei der Zielfelder werden nachfolgend knapp verdeutlicht. 

Sichtbarmachung der Store Brand-Elemente ist essenziell

Zu den wichtigsten Branding-Elementen zählen Markenname, Logo und Farbcodes. Deren mühelose Wahrnehmbarkeit gilt es bei allen Kontakten mit dem Onlineshop sicherzustellen, und zwar nicht nur auf einer Startseite. Dies ist erforderlich, damit alle Eindrücke, die bei (potenziellen) Kundinnen und Kunden bei Kontakten mit dem Onlineshop entstehen, einfach und korrekt dem Markennamen zugeordnet werden können. Nicht nur wird damit die Awareness des Shops gefördert, sondern auch der Aufbau des inneren Bildes erleichtert. Denn was nicht zugeordnet wird, wird auch nicht in ein mentales Markenschema integriert oder dort gefestigt. Weiterhin ist die blitzartige Zuordnung von Eindrücken zum Markennamen vonnöten, um die schemageleitete Informationsverarbeitung in der Kundenpsyche zu begünstigen. In dieser drückt sich letztlich der „Markeneffekt“ aus: Produkte, Preise, Services etc. werden durch die Wahrnehmungsbrille der erlernten Marke beurteilt. Daher sollten wichtige Marken-Elemente prominent und wiederholt dargeboten sein (Abb. 2 für ein Beispiel).

 

Positive atmosphärische Wirkungen sollen erreicht werden

Kann die Gestaltung des Onlineshops eine positive Stimulierung im Sinne von „Gefallen“ erreichen, wird die Besuchs- und Kaufwahrscheinlichkeit erhöht und Besuchsdauern werden verlängert. Die atmosphärische Gestaltung zielt auf unspezifische Emotionen ab, die nicht auf positionierungsrelevante Konsumerlebnisse hinarbeiten, dennoch aber Wahrnehmung, Informationsbewertung und -speicherung beim Kunden lenken. Als Ansatzpunkte des Designs der Shopatmosphäre gelten vor allem visuelle und akustische Reize. Farben, Formen, Bilder und Bewegtbilder sind also entscheidende Parameter (Abb. 3). Auch die Güte der Usability und technische Reaktionszeiten wirken auf die atmosphärische Bewertung. Sounds und Musik sind weitere Instrumente in diesem Zielfeld. Die atmosphärische Wirkung ergibt sich letztlich aus dem ganzheitlichen Zusammenspiel vieler Details. 

 

Erlebniswirkungen sind zu vermitteln

Erlebniswirkungen vermitteln bedeutet: Durch geeignete Reizkonstellationen spezifische Bündel von menschlichen Emotionen aktivieren, u. a. indem entsprechende mentale Schemata angesprochen werden. Solche Erlebniswirkungen im Onlineshop sind schon als Zweck per se relevant. In diesem Sinne spielen Erlebnisse u. a. eine Rolle, um phasenweise das Involvement von Shopbesucherinnen und -besuchern anzuheben oder impulsives Kaufen zu unterstützen. Oft liefern spezifische Erlebnisse die entscheidenden Auslöser für den Besuch oder den Verbleib in einem bestimmten Onlineshop. Erlebnisse stiften letztlich Kundennutzen an sich. 

Andererseits sind Erlebniswirkungen unentbehrlich, wenn die Store Brand eine erlebnisorientierte Store Brand-Positionierung anstrebt (Abb. 4). Denn dann ist die durchgängige Vermittlung spezifischer Erlebniswirkungen über den Shop ein Imperativ, damit die entsprechenden emotionalen Assoziationen dem Markennamen zugehörig erlernt werden. Der Onlineshop sollte in diesem Fall die „Story der Brand“ erleb- und durchlebbar machen. Selbstredend sollte dabei das bei Besucherinnen und Besuchern aktivierte mentale Erlebniskonzept genau den Emotionen entsprechen, die in der Store Brand-Positionierung festgelegt wurden. Auf der instrumentalen Ebene ist hier an einzelne Gestaltungsparameter des User Experience Design (UX) zu erinnern. Herausragende Bedeutung haben jedoch Bewegtbild, Sound und Musik – denn sie sind besonders geeignet, Emotionen zu evozieren. Andere Ansatzpunkte liegen u. a. mit Virtual Reality, Avataren, kreativem Anspruch oder inhaltlich abgestimmten Bildwelten vor. Umso multimodaler und konsistenter in diesem Feld agiert wird, umso eher gelingt die Erlebnisgenerierung.

 

Fazit

Mit den Zielfeldern des OVM liegt ein Orientierungsrahmen vor, um Online-Händler bei der wichtigen Markenbildungsaufgabe zu unterstützen. Er bietet Ansatzpunkte für die Überprüfung der Qualität der Markenführung, lenkt den Blick auf aus Markensicht wesentliche Aspekte und sortiert die Vielzahl der Gestaltungsparameter. Ein wichtiger Beitrag für das an Bedeutung kaum abnehmende Forschungs- und Transferfeld Onlinehandel.

Autor:

Prof. Dr. Jörn Redler, Fachbereich Wirtschaft

 

Literatur zum Thema:

Bonera, M.; Corvi, E. (2014). The Relevance of Visual Merchandising for Online Retailers. International Journal of Applied Behavioral Economics, 3(4), 1-16.

Khakimdjanova, L.; Park, J. (2005). Online Visual Merchandising Practise of Apparel E-Merchants. Journal of Retailing and Consumer Services, 12(5), 307-318.

Redler, J. (2017). Point-of-Purchase-Kommunikation – Begriff, Zielfelder und Bedeutung für Store Brands. Transfer – Werbeforschung & Praxis, 63(2), 16-22.

Redler, J. (2017). Die Store Brand – Einkaufsstätten als Marken verstehen, aufbauen und steuern, SpringerGabler.

Sautter, P.; Hyman, M. R.; Lukosius, V. (2004). E-Tail Atmospherics: A Critique of the Literature and Model Extension. Journal of Electronic Commerce Research, 5(1), 14-24.

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Dieser Artikel ist in der digitalen Sonderausgabe 1/2021 des Hochschulmagazins "Forum" erschienen.

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