AUF ZU NEUEN HERAUSFORDERUNGEN
Ein Rückblick auf 36 Stunden #SemesterHack im Mai 2020
Hackathons gibt es mittlerweile fast wie Sand am Meer. Spätestens seit dem Aufruf, sich am intensiv von den Medien begleiteten und von der Bundesregierung unterstützten #WirVsVirus-Hackathon zu beteiligen, der im bis dato weltweit größten Hackathon resultiert hat, gibt es keinen Zweifel mehr daran, dass das sich seit rund 20 Jahren entwickelnde Format des Hackathons zum Mainstream gehört. Natürlich sind manche Branchen und Themen, vor allem mit Bezug zu Tech und in der Start-up-Branche, nach wie vor stärker durch Hackathons belegt als andere, aber das Konzept dringt offline und seit Corona verstärkt auch online in immer neue Bereiche vor.
Hackathon-Neulingen sei eine Teilnahme, fast egal zu welchem Thema, solange man daran interessiert ist, wärmstens empfohlen. Aber auch wenn man bereits an einem oder mehreren Hackathons teilgenommen hat, ist es mehr als lohnend, sich zum wiederholten Mal auf dieses herausfordernde Format einzulassen. Warum lohnt es sich und was kann man in 36 Stunden tatsächlich erreichen? Wie sich herausgestellt hat, relativ viel: Neben garantiertem Schlafmangel und vielerlei Überraschungen unter anderem neue Einsichten und Lösungsansätze für Themen von Interesse, ein Netzwerk von potenziellen Kooperationspartnerinnen und - partnern und zusätzliche Kompetenzen.
Research must go on(line)
Ziel des #SemesterHacks im Mai war es, Lösungen für die vielfältigen Herausforderungen des Corona-bedingten digitalen Sommersemesters 2020 zu erarbeiten. Unser 6-köpfiges Team wurde geeint durch ein Interesse an Online-Forschung. Für mich persönlich hat das Thema große Relevanz: Zu Zeiten meiner Diplomarbeit an der Universität Mannheim im Jahr 2008 war Online-Forschung nur sehr aufwändig zu bewerkstelligen. Ich war vollkommen abhängig von einem Programmierer und dessen viel zu vollem Terminplan. Viel gravierender: Potenzielle Probandinnen und Probanden waren immens skeptisch, ihre E-Mail-Adresse für ein Forschungsprojekt zur Verfügung zu stellen, und selbst mit der Verlosung von Amazon-Gutscheinen kostete es noch einiges an persönlicher Überzeugungsarbeit. Zum Glück sieht das heute etwas anders aus. Durch die zunehmende Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelt hat sich einiges vereinfacht. Online-Forschung ist mittlerweile auch bei Probandinnen und Probanden weitestgehend akzeptiert. Außerdem gibt es eine Vielzahl an Software-Tools, die die Datenerhebung vereinfachen und ohne jegliche Programmierkenntnisse angewendet werden können.
Die große und stetig wachsende Anzahl an Software-Tools mit unterschiedlichen Features führt schnell zu Überforderung.
Es gibt dennoch einige Online-Forschungs-Hürden zu nehmen, denn Technologie ist wie immer Heils- und Komplexitätsbringer zugleich. Spätestens seit der Corona-Krise wird die Bedeutung von Online-Forschung deutlich, denn Face-to-Face Befragungen und Gruppendiskussionen sind nicht mehr ohne Weiteres möglich. Egal ob Bachelor-Studierende, Promovierende oder gestandene Forschende, die gesamte Forschungslandschaft steht vor großen Herausforderungen. Vor allem die große und stetig wachsende Anzahl an Software-Tools mit unterschiedlichen Features kann schnell zu Überforderung führen. Die Auswahl eines geeigneten Tools ist dabei nur der erste Schritt. Im Rahmen der Hochschullehre bleibt neben der Vermittlung des Forschungsprozesses kaum Zeit für die zielgerichtete Vermittlung von Kompetenzen zur Umsetzung von Forschung mit digitalen Tools und online-forschungsspezifischen Herausforderungen.
Community für Online-Forschung
So kam in unserem Team während des Hackathons die Idee auf, mit „Survey² - Research goes on(line)“ eine Community für Online-Forschung, auf der sich Forschende und Onlineforschungstool-Nutzer über ihre Herangehensweisen und Ergebnisse austauschen können und die so die Diskussion über Herausforderungen der Online-Forschung fördert, zu konzeptualisieren. Wir wollten einen Prototypen für ein Auswahltool entwickeln, das je nach individuellen Anforderungen (z.B. Anzahl Probanden, Programmierkenntnisse) beim systematischen Vergleich und der Entscheidung für ein geeignetes Software-Tool unterstützt. Da Zeit und Energie während eines Hackathons begrenzt sind, muss das Vorgehen ein Stück weit pragmatisch gestaltet werden. So lag der Umsetzungsfokus auf dem Prototyp der Entscheidungshilfe, der auf einer Auswahl, Übersicht und Kategorisierung von sechs Online-Tools basiert. Natürlich gibt es mehr Tools und es bleibt immer Raum für Verbesserungen, z.B. beim Design. Nichtsdestotrotz kann ein Hackathon eine gute Basis für weitere zukünftige Projekte sein.
Allein eine Idee zu haben, reicht allerdings nicht aus. Es bedarf darüber hinaus eines Teams, welches sich idealerweise ergänzt, und im Rahmen einer halbwegs strukturierten Herangehensweise die Idee zielgerichtet ausarbeitet und in die Tat umsetzt. Bei rund 1.000 Teilnehmern ist vorab nicht absehbar, wer sich zu einem Thema zusammenfindet. Umso größer ist die Überraschung, wenn bei einem bunt zusammengewürfelten Team aus zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, drei Studierenden und einem Unternehmensgründer zufällig zwei Personen von der gleichen Hochschule kommen und drei aus der gleichen Stadt. Noch erstaunlicher ist, wie aus sechs Fremdem binnen 36 Stunden ein „echtes Team“ wird. Aufgrund der unterschiedlichen Erfahrungen und Perspektiven konnte jedes Teammitglied etwas beitragen. Besser hätte man es nicht treffen können. Zu guter Letzt muss die während eines Hackathons entwickelte Idee auch noch gut verpackt werden. Nach einer kurzen aber intensiven Adobe XD-Schulung durch eine der vielen Hackathon-Mentorinnen konnten wir unseren ansprechend gestalteten Prototypen als Teil unseres im Detail ausgeschriebenen Konzepts entsprechend auf der Incom-Projektplattform einreichen.
Zweiter Platz und eine Förderung
Wenn das gemeinsam entwickelte Projekt dann noch aus 76 eingereichten Projektideen mit einem guten 2. Platz bewertet wird und im Nachgang des Hackathons völlig unerwartet zu einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekt führt, besteht kein Zweifel mehr, dass sich 36 Stunden Aufwand mehr als gelohnt haben - selbst unter Schlafmangel.
Jeder Hackathon ist eine neue Gelegenheit, Themen mit interessanten Leuten zu erkunden. Auch in 36 Stunden kann sich viel entwickeln. Daher: Auf zu neuen Herausforderungen! Gerade jetzt, wo es sich noch flexibler digital von zu Hause an Hackathons und mit Teamkolleginnen und -kollegen aus der ganzen Welt teilnehmen lässt und der nächste Hackathon zur Zukunft der Bildung im digitalen Zeitalter bereits vor der Tür steht.